«Es tut einfach gut, mal ans Limit zu gehen»

Im therapeutischen Angebot der UPK Basel spielen Sport und Bewegung eine wichtige Rolle.

Jab, Cross, Kick! Und nochmals: Jab, Cross, Kick! Mirjam* ist hoch konzentriert, wenn sie den Boxsack bearbeitet. Ihr Körper ist zierlich, man würde nicht denken, dass sie einmal die Woche ihre schmalen Hände in Boxhandschuhe steckt. In der Budo-Stunde spürt sie ihre ganze Kraft. Auch die anderen Therapien, die auf ihrem Wochenplan stehen, helfen Mirjam gegen die Depressionen. Aber Budo mag sie am liebsten.

Positive Wirkung wird erforscht
Budo, so etwas wie die Quintessenz aus verschiedenen asiatischen Kampfsportarten, wurde Anfang 2021 an den UPK Basel als Pilotprojekt eingeführt. Es ist das neueste von mehreren Sport- und Bewegungsangeboten, die den Patientinnen und Patienten aller Abteilungen zur Verfügung stehen. Dass sich körperliche Aktivität positiv auf die psychische Gesundheit auswirken kann, ist wissenschaftlich erwiesen. Auf der ganzen Welt wird weiter geforscht, worauf diese Zusammenhänge beruhen und wie Sport und Bewegung in der psychiatrischen Therapie genutzt werden können. Auch die UPK Basel beteiligen sich daran. So gehören sie zur Trägerschaft der Studie PACINPAT, mit welcher untersucht wird, wie sich Bewegungscoaching auf die körperliche Aktivität bei depressiven Patientinnen und Patienten auswirkt.

Verborgene Themen
Zu Rahel Bernhard und ihrem Team kommen Patientinnen und Patienten mit ganz unterschiedlichen Diagnosen. Die Leiterin der Abteilung Physio- und Bewegungstherapie an den UPK Basel sagt, in ihrer Arbeit ginge es oft um mehr als die Behandlung körperlicher Beschwerden: «Die Patienten sind wegen psychischer Probleme an den UPK. Sie sind offen dafür, wenn ich sage: ‚Sie waren schon bei vielen Physiotherapeutinnen, bis anhin wurde keine körperliche Ursache gefunden. Ich gehe davon aus, dass ich auch nichts finde. Deshalb gehen wir jetzt einen anderen Weg.‘ Dann leite ich Übungen an, die beispielsweise bezwecken, mit Schmerzen anders umzugehen, den Körper wieder bewusst wahrzunehmen oder das Vertrauen in den eigenen Körper zu stärken.» Oft geht es bei dieser Körperarbeit um Spannungsregulation. Es kommt vor, dass dabei verborgene Themen auftauchen, die später in andere Therapien einfliessen, zum Beispiel in die Psychotherapie. Interdisziplinärer Austausch ist an den UPK Basel fest installiert.

Sich selber beobachten
Das gilt auch für das therapeutische Klettern, ein weiteres Sportangebot an den UPK. An der mit Sicherheitsvorkehrungen ausgestatteten Kletterwand kann körperlich gearbeitet werden, zur Verbesserung der muskulären Kontrolle zum Beispiel. Oft würden aber psychologische Dimensionen im Vordergrund stehen. «Will ich noch höher klettern? Kann ich Nein sagen? Eigene Grenzen kennenlernen und formulieren, könnte bei jemandem der Sinn des Kletterns lauten», sagt Rahel Bernhard.

Selbstwahrnehmung spielt auch in den interaktionellen Spiel- und Sporttherapiegruppen eine zentrale Rolle. Sie wird in verschiedenen Abteilungen angeboten. Rahel Bernhard: «Nicht die Leistung zählt, sondern das gemeinsame Bewegen und die Selbstbeobachtung. Beim Sport kommt es zu Reaktionen, die man kaum steuern kann, aber viel aussagen.» Wer schon einmal Mannschaftssport betrieben hat, kann das bestätigen. Spontane Reaktionen im gemeinsamen Sport werden auch an der Klinik für Forensik UPKF zusammen mit den Patientinnen und Patienten reflektiert. Aber gerade im forensischen Bereich, also in der Behandlung psychisch kranker Straftäter, darf die sportliche Betätigung durchaus auch dazu dienen, überschüssige Energie und innere Anspannungen abzubauen.

Training mit dem Weltmeister
Was uns zurück zum Boxsack führt und zu Karl Jawhari. Der Abteilungsleiter Pflege in der zentralen Aufnahme der UPK ist vierfacher Weltmeister im Kickboxen und nebenberuflich Betreiber einer Kampfsportschule. Mit der Budo-Gruppe hat er ein Angebot an den UPK eingeführt, das schon nach kurzer Zeit aus den Nähten zu platzen droht. Immer mehr Patientinnen und Patienten wollen mitmachen. «Es tut einfach gut, mal ans Limit zu gehen, sich auszupowern, seinen Körper zu spüren, inklusive Muskelkater am nächsten Morgen», sagt Karl Jawhari. «Die physische Fitness wird umfassend trainiert, wichtige psychologische Effekte sind die Förderung von Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Selbstachtung.» Mirjams T-Shirt ist komplett durchgeschwitzt, als sie sich für den meditativen Ausklang in den Kreis setzt und die Augen schliesst. «Überlegt euch, was euch heute im Budo am besten gefallen hat», sagt der Trainer. Für Mirjam ist das klar: Jab, Cross, Kick!
 

* Name geändert

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