«Vielversprechend, aber kein Spaziergang»

Vor mehr als 80 Jahren wurde LSD durch den Basler Chemiker Albert Hofmann entdeckt. Das Interesse der Psychiatrie an dieser Substanz war von Beginn weg gross, denn LSD konnte erfolgreich bei depressiven Beschwerden sowie bei Angst- und Abhängigkeitserkrankungen eingesetzt werden. Mit der repressiven Drogenpolitik ab Beginn der 1970er-Jahre und einem zunehmend unkontrollierten Konsum der Substanz verschwand LSD aus der Psychiatrie. Nun wird wieder geforscht, auch an den UPK – unter der Leitung von Felix Müller*.

Felix Müller, Sie haben soeben vom Nationalfonds (SNF) 1,4 Mio. Franken Forschungsgeld zugesprochen erhalten. Eine beträchtliche Summe. Wofür setzen Sie sie ein?
Felix Müller: Der SNF unterstützt mit dieser Summe eine Studie zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit mit LSD. Diese Studie baut auf unseren Studien mit LSD der letzten Jahre auf und wird in Zusammenarbeit mit der Universität Bern durchgeführt. An zwei Zentren werden im Laufe von drei Jahren jeweils 60 Patientinnen und Patienten mit LSD behandelt. Wir untersuchen, ob eine zweimalige Behandlung mit LSD nach dem Alkoholentzug anhaltende positive Effekte auf das Konsumverhalten hat.

Gehen LSD und Alkohol zusammen?
Auf den ersten Blick mutet es vielleicht paradox an, Alkoholabhängigkeit ausgerechnet mit LSD zu behandeln, doch die Forschung in den 50er- und 60er-Jahren hat gezeigt, dass dieser Ansatz vielversprechend sein könnte. Und entgegen der oft verbreiteten Annahme macht LSD nicht abhängig. In der klinischen Anwendung ist LSD ein vielversprechender und sicherer Behandlungsansatz.

Welche Vorteile hat LSD denn in der Therapie mit Psychedelika?
Im Vergleich zu vielen anderen Behandlungen kann LSD oft eine schnelle Besserung der Symptome bewirken. Ausserdem sind Nebenwirkungen, wie sie bei der täglichen Einnahme von anderen Medikamenten auftreten, ein viel kleineres Thema, da LSD nur ein paar wenige Male verabreicht wird. Vermutlich lassen sich mit LSD auch schwer zu behandelnde Erkrankungen erfolgreich therapieren. Nicht zuletzt unterscheidet sich das Wirkprofil stark von dem der etablierten Therapien. Es ist eine sehr interessante Frage, wie die über Monate oder Jahre anhaltenden therapeutischen Effekte erklärt werden können und welche Behandlungsformen sich daraus vielleicht noch ableiten lassen. 

Die Anwendung von LSD kann mit sehr intensiven Erfahrungen verbunden sein, auch belastend. Man liest gar von Horrortrips, die die Patientinnen und Patienten erleben. Warum will man LSD in der Therapie überhaupt einsetzen
Horrortrips kennen wir insbesondere aus dem Freizeitkonsum. Die Anwendung von LSD in einem therapeutischen Setting ist etwas völlig anderes und wir sehen, dass Horrortrips äusserst selten auftreten. Aber selbstverständlich ist auch die Einnahme von LSD in einem therapeutischen Rahmen kein Spaziergang und es kann zu schwierigen Emotionen wie zum Beispiel starken Ängsten kommen. Eine sorgfältige Vorbereitung und Begleitung ist daher Voraussetzung.

Für eine Therapie mit LSD braucht es eine Ausnahmebewilligung vom BAG. Wer besitzt eine solche?
Aktuell haben in der Schweiz ungefähr 50 Ärztinnen und Ärzte Ausnahmebewilligungen für die Psychedelika Psilocybin und LSD. Die Bewilligungen müssen allerdings für jede Patientin und jeden Patienten einzeln beantragt werden. Es ist also nicht möglich, beliebige Personen damit zu behandeln.

Wie wird an den UPK Basel diese Substanz angewandt, wie ist das Setting?
In den UPK verwenden wir Psychedelika vor allem bei Depression und Alkoholabhängigkeit. Die Therapien finden im Rahmen eines stationären Aufenthalts mit einer durchgehenden Begleitung durch eine Fachperson statt. Da die Behandlungstage sieben bis zwölf Stunden beanspruchen, ist das sehr aufwendig.

Wie viele Patientinnen und Patienten werden zurzeit mit LSD therapiert?
Die Behandlungen werden nur in ausgewählten Fällen durchgeführt. Aktuell sind sieben Patientinnen und Patienten bei uns in stationärer Behandlung. Die Nachfrage übersteigt bei weitem unsere Kapazitäten.

Die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) fordert in Bezug auf die Psychedelika-Therapie die Ausarbeitung von konkreten Behandlungs- und Sicherheitsempfehlungen, auch ein neuer Fähigkeitsausweis wird benötigt. Warum?
Die Anwendung erfolgt überwiegend im Rahmen der so genannten Psychedelika-assistierten Therapie.  Dies ist eine eigene Behandlungsform, die spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert. So ist beispielsweise das Spektrum an möglichen akuten psychischen Reaktionen bei Psychedelika sehr breit und ein guter Umgang damit ist ein äusserst wichtiger Faktor in dieser Behandlung.

Der Freizeitkonsum von LSD ist hoch: Gemäss Schätzungen soll jeder Zehnte in den USA, also rund 32 Millionen US-Amerikanerinnen und -Amerikaner, schon einmal im Leben LSD genommen haben. Und in der Schweiz?
In der Schweiz werden Zahlen um die 2,5 Prozent genannt, der Konsum scheint hier also weniger verbreitet.

Wird sich LSD in der Behandlung von Depressionen in der Schweiz durchsetzen?
Die aktuellen Entwicklungen scheinen recht vielversprechend. Neben LSD sind sicherlich auch MDMA** und Psilocybin Substanzen, die in Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnten. Ausserdem werden Psychedelika auch für andere Indikationen wie Angsterkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder posttraumatische Belastungserkrankungen untersucht.   

*PD Dr. Felix Müller, Leiter der Forschungsgruppe für substanz-gestützte Therapiean den UPK Basel, wurde für seine Forschung mit LSD schon mehrfach ausgezeichnet (Preis der Inger-Salling-Stiftung, Schweizer Suchtforschungspreis).

**MDMA oder Ecstasy ist ein synthetisches Amphetaminderivat mit stimulierender und leicht halluzinogener Wirkung.

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