Eine gerade publizierte Analyse über rund 230'000 Einweisungen in deutsche psychiatrische Kliniken zeigt, dass lokale Traditionen in den Kliniken bei Einweisungen in geschlossene Abteilungen eine grosse Rolle spielen (15 Prozent zusätzliche Varianzaufklärung nach Einbeziehen von Merkmalen von Patientinnen und Patienten). Auch beeinflussen sie die Anwendung von Zwangsmassnahmen mit (4 Prozent zusätzliche Varianzaufklärung).
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass nicht nur Sicherheitsaspekte bei der Anwendung von Zwang ausschlaggebend sind, sondern auch klinikspezifische Routinen. Um unnötige Einweisungen in geschlossene Abteilungen zu vermeiden, sollten sich Kliniken dieser Einflüsse bewusst sein. «Die Untersuchung bestätigt uns, dass wir mit dem seit Jahren angewandten Konzept der Open Doors auf dem richtigen Weg sind und Patientinnen und Patienten in einem Setting mit einem Minimum von Zwang behandelt werden können», bilanziert Prof. Christian Huber, Letztautor der Studie sowie Chefarzt und stellvertretender Direktor der Klinik für Erwachsene (UPKE). Abläufe sollten immer wieder reflektiert und Traditionen aktiv hinterfragt werden.
Mehr Empowerment und Recovery
Die UPK wenden das Konzept der Open Doors seit Jahren an. Christian Huber erhielt für seine federführende wissenschaftliche und klinische Tätigkeit zu dieser Vorgehensweise bei den UPK unter anderem 2022 den «Inger Salling Preis». In der damaligen Laudatio wurden die Reduktion von Zwangsmassnahmen und die Öffnung der Psychiatrie als «hochrelevante Forschungsanliegen» gewürdigt. Dadurch liessen sich Vertrauensbrüche und Therapieabbrüche verhindern und Empowerment und Recovery fördern.
Studie «Patient-related characteristics or local tradition: what predicts the admission to a locked ward or the use of coercive measures in psychiatric inpatient treatment?».