Bald dreissig Jahre ist es her, dass die Heroingestützte Drogenabgabe in der Schweiz eingeführt worden ist. Zuvor gingen Berichte von der offenen Zürcher Drogenszene, vom Elend im «Needle Park» (Platzspitz) und am Letten um den Globus. Was ist heute anders, besser?
Daniel Scheidegger: «Folien rauchen ist Heroin rauchen und macht süchtig» – ich erinnere mich noch gut an die Warnschriften auf den Präventionsplakaten, die zu meiner Schulzeit in meinem Dorfschulhaus hingen Die offene Drogenszene und die weit verbreitete Heroinabhängigkeit waren ein grosses schweizweites Problem. Seither ist viel passiert, wurden viele hochspezialisierte Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen, dank denen zahlreiche Menschenleben gerettet werden konnten.
Hannes Strasser: Das Beispiel Schweiz zeigt eindrücklich, dass Behandlungen von Substanzkonsumstörungen, wie wir sie in den UPK seit rund dreissig Jahren anbieten, einfach nur Sinn machen. Sie ersparen nicht nur den Betroffenen, sondern der gesamten Gesellschaft grosses Elend und Leid.
Kenneth Dürsteler, Sie halfen als Medizinstudent auf dem Platzspitz mit, die Ausbreitung von HIV und Hepatitis B einzudämmen. Heute gehören Sie zu den renommierten Suchtexperten der UPK. Wie kann den Süchtigen noch mehr geholfen werden?
Kenneth Dürsteler: Es gibt noch vieles zu verbessern. Suchtkranke sind öffentlich und strukturell immer noch stark stigmatisiert. Als Fachpersonen müssen wir dazu beitragen, diese Ausgrenzung zu reduzieren. Ferner besteht bei neuen Therapieangeboten wie zum Beispiel internetbasierter Interventionen erhebliches Verbesserungspotenzial.
Hannes Strasser, Sie haben in Basel mit Janus viel Pionierarbeit geleistet. Was treibt Sie täglich an?
Hannes Strasser: Für mich sind es die abwechslungsreichen Begegnungen mit wertvollen Menschen und die spannende Zusammenarbeit in einem eingespielten, hochmotivierten Team. Die Pionierarbeit haben aber meine Vorgänger geleistet. Als ich die Leitung der Heroingestützten Behandlung Janus und AdS übernahm, war die offene Drogenszene bereits verschwunden. Nun ging es darum, die gewonnenen Erkenntnisse zu professionalisieren und Stigmata abzubauen. Heute arbeiten wir in einem bestens besetzten interdisziplinären Team zusammen und leisten täglich sinnstiftende, wertvolle Arbeit.
Welche Droge schätzen Sie als die grösste Gefahr für die Schweiz – und wer ist in grösster Gefahr?
Hannes Strasser: Es ist nicht eine Droge, sondern der unbedarfte Umgang damit. Vor allem bei Jüngeren zeigt sich die Tendenz hin zu vermehrtem, gefährlichem Mischkonsum verschiedener Substanzen. Die Risikobereitschaft für sehr starke Rauschzustände scheint gestiegen zu sein …
Kenneth Dürsteler: ... und die grösste Gefahr geht nach wie vor von den – legalen – Substanzen Tabak und Alkohol aus.
Daniel Scheidegger, ist das SAM mit seinen 40 Mitarbeitenden für diese Herausforderung bereit?
Daniel Scheidegger: Was die Behandlung betrifft, auf jeden Fall. Wir machen im SAM ja nichts, was wir nicht seit Jahren bereits im ADS, AfS oder im Janus gemacht hätten. Auch sind wir schweizweit bestens vernetzt. Die für uns vorerst grösste Herausforderung wird aber sicher die Grösse des Teams sein. Dieses muss nun von drei überschaubaren Teams zu einem grossen Team zusammenfinden. Und in den letzten Jahren sind in allen Abteilungen eigene Kulturen entstanden. Wenn ich aber daran denke, wieviel Engagement, Fachwissen und Herzblut bei allen für die Arbeit mit suchtmittelerkrankten Menschen vorhanden ist, habe ich keinerlei Bedenken, dass wir diese Herausforderungen nicht meistern werden.